YouTube – oder die Geister, die ich rief.

YouTube, Likes, Klicks, Abos, Erfolgsstories.

Ich verfolge auf den Social Media Kanälen diverse Blogger und Content-Erzeuger, die mit viel Aufwand und Herzblut Beiträge für die Massen erstellen. Und für den toll gemachten Content und dem Aufwand, der dahinter steht, ziehe ich meinen Hut. Aber eine Frage drängt sich mir auf:

Was motiviert jemanden überhaupt, einen Video Blog mit persönlichen Themen einzustellen?

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Diese Frage stelle ich mir nun, nachdem ich eine Person, die genau solch einen Blog erstellt hat (und in seinem Umbau wohnt), vor knapp einem Jahr persönlich kennengelernt habe. Ich habe die Blogs verfolgt, denn die Inhalte sind informativ, schlüssig und mir deshalb auch wichtig für mein eigenes Projekt. Die Probanten des Blogs erschienen mir freundlich, zugänglich, manchmal auch lustig – aber aus dem Bauch heraus: „echt“ – im englischen besser mit „genuine“ tituliert.

Nachdem ich mit dem „Hauptdarsteller“ (HD) der Blogs auch eMails ausgetauscht und die Blogs recht regelmäßig und positiv kommentiert habe, hatte ich beruflich im Ort des HD zu tun, wo auch er sein Gewerbe betreibt.

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Vor meinem Termin an dem Tag, nehme ich mir die Zeit um nur kurz „Hallo“ zu sagen. Unverfänglich erscheine ich dort (es ist relativ früh, der Laden ist leer), gebe auch zu erkennen, dass ich eher ein Kontakt oder „Abonnent“ des Blogs bin und stelle mich kurz mit vollem Namen vor. Man ist offensichtlich nicht sehr erfreut über diesen Besuch und sieht das schon als eine Verletzung der Privatsphäre. Und mit meinem Namen kann man auch nichts anfangen, obgleich wir noch 2 Tage zuvor längere eMails ausgetauscht hatten. Alles nur gestellt? Der sich im Video Blog auch mal gern nackt badend zeigende HD steht in auffällig sicherer Distanz zu mir, irgendwie eingeschüchtert und lässt auch in wenigen Worten erkennen, dass aufgrund des Videoblogs Besucher gerne auch mal spät abends an seinem Auto klopfen – er wurde halt wieder erkannt. Auch das würde extrem nerven, da er eigentlich versucht, Menschen in Mengen zu meiden. O.K. – bei 12.000+ Abonenten wird man zum Celebrity.

Ich bin – verwirrt, und auch ein bisschen enttäuscht, denn der HD entsprach nicht mehr dem Bild, das er in den Blogs darstellt. Der klassische Filmdarsteller mit der oft erlebten Ablehnung des nervigen Publikums? Ich will aber keinesfalls „nerven“, schaue auf meine Uhr – „habe gleich Termin und muß jetzt…“ und verabschiede mich freundlich.

Aber, zurück zur eigentlichen Frage. Was ist denn hier nun die Motivation?

  • Selbstdarstellung? O.K. – das gehört sicherlich dazu. Schaut, was ich mache, schaut was ich kann.
  • Ich will anderen helfen oder helfen Fehler zu vermeiden? O.K. – auch mehr als legitim.
  • Ich will andere „missionieren“? O.K., das polarisiert und spaltet letztendlich die Zuschauerschaft. Wer „klare“ Standpunkte vertritt, bekommt auch „klares“ Feedback. Zustimmung und Ablehnung. Schwarz und Weiss. Schwieriges Terrain.
  • Verdrängung einer gefühlten Einsamkeit (auf einmal tausende „Freunde“!)? – ähnliches glaube ich auch schon bei FB beobachtet zu haben.
  • Klicks zum Geld verdienen? Nun, ich kenne das YouTube Geschäft nicht im Detail, aber wenn YT aufgrund einer definierten Anzahl von Klicks oder Abonenten Werbung schaltet und die Produktlinks genutzt werden, dann gibt es wohl ein wenig Geld.
  • Dann ist da auch noch ein „Spendenkonto“ – o.k. jetzt finanziert der Abonnent das Programm – quasi eine freiwillige „Mini-GEZ“.

Alles mögliche Motivationen. Und alle auch – zumindest aus meiner Sicht – völlig legitim.

Hat das Suchtpotential?

Bild von Free-Photos auf Pixabay

Ja, ich denke schon – sogar auf beiden „Seiten“.
Der VLOG Junkie produziert und sucht die Bestätigung für sein Tun, der Abonnent wartet gespannt auf die nächste Folge. Eine Symbiose.
ABER – es bringt einen Kontrollverlust mit sich. Der Abonnent interpretiert das Material als Einladung zum Dialog – und ja, vielleicht auch eines persönlichen Dialogs.
Sind YouTube Probanten ähnlich zu betrachten wie „Filmstars“?
Ja, ich denke schon. Mit der Einschränkung, dass der YouTube Probant i.d.R. im echten Leben unterwegs ist, einen realen Job hat, ohne Bodyguards, Villa oder Seklusion. Also ist er dem Fan oder Groupie relativ schutzlos ausgeliefert, denn Internet, FB und YouTube gewähren keine wirkliche Anonymität.

Be careful what you wish for – you may get it.W.W. Jacobs

Bild von Lukas Bieri auf Pixabay

Abhängig vom Inhalt des Blogs (und bleiben wir mal gerne im Wohnmobilum- und -ausbau) scheint der Zeitstrahl immer ähnlich auszusehen:

  • Erste „Laufschritte“ bei YT, die ersten Abonnenten und die Symbiose beginnt. „Mache ich nur zum Hobby und weil es Spass macht.“
  • Man bedankt sich für das Interesse ausdrücklich, führt „Beitragsunterhaltungen“ innerhalb der Kommentare mit dem Zuschauer. Man wird „wahrgenommen“!
  • Mehr Videos, noch mehr Abonnenten, Likes und Klicks.
  • Man vergibt die „Herzchen“ und kommentiert weniger.
  • Noch mehr Videos, 1000e Abonnenten, Likes und Klicks.
  • „Herzchen“ werden weniger, Kommentare gehen gen null.
  • Paypal Spendenkonto, Affiliate Links, „Live“ Spendensammlungen für den eigenen Zweck. Der Kanal wird zum Selbstläufer.
  • Jetzt klopfen Hersteller, Gewerbe und Co. an. „Wollen Sie mal unser Produkt testen? Am besten natürlich positiv, die Testware dürfen Sie dann auch behalten“. Vielleicht legt der Interessent auch noch ein, zwei Rubel ‚drauf. Man rechtfertigt das nun damit, dass man ja mittlerweile mit der neuen Ausrüstung, der Drohne, dem filmen, schneiden, vertonen und hochladen tatsächlich viel Aufwand hat – man hat sich den „kommerziellen“ Erfolg ja quasi verdient (ist jetzt irgendwie kein Hobby mehr?) Ich sehe hier den Politiker und den Lobbyist.
    Und einige Probanten lassen sich so offensichtlich von der Industrie einseifen, dass es einen wirklich massiven Shitstorm auslöst.
Die Geister, die ich riefbewusst falsch zitiert aus dem Zauberlehrling, Johann Wolfgang von Goethe

Bild von Bruno Glätsch auf Pixabay

Ich möchte mich jetzt nicht falsch verstanden wissen. Ich gönne jedem, der hier durch und mit seiner Arbeit einen Zeitgeist erfolgreich trifft, seinen Erfolg – intellektuell und wirtschaftlich.
Es hat aber ein „Geschmäckle“. Die besten Vorsätze werden irgendwann für Geld verkauft und das Ergebnis hat Einfluss auf die Wahrnehmung des Publikums bezüglich der präsentierten Waren und Konzepten. Influencer nennt man das im schicken Internet Jargon – direkt ins Deutsche übersetzt heißt es nur nüchtern: Beeinflusser. Und ist es nicht genau das, was alle immer Google, Facebook und Co. vorwerfen?

Fazit

Im (YT-) Rampenlicht stehen zu dürfen hat einen Preis. Und der wird immer teurer mit jedem neuen Abonenten. Ist das auf Dauer „gesund“?

Für mich sind dies „Aha“-Erlebnisse – Denkanstösse, mit denen ich meine gedachten Veröffentlichungen ggbf. nur einer vordefinierten Audienz zuteil machen werde. Nicht aus einer Arroganz heraus, sondern zum Selbstschutz und zur Wahrung meiner Unabhängigkeit.

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