Meine Kastenwagensuche – Szene 1

Nun habe ich auf diversen Platformen im Internet Suchanzeigen für einen Kastenwagen laufen und bekomme – oft mangels fehlender Möglichkeiten zur „Feinselektion“ – fast schon zu viele Rückmeldungen von den Systemen. Meist sind die Abmessungen für meine Zwecke unpassend.


Der Kandidat

So bekomme ich auch eine Anzeige der Fa. Europoint Truck&Trailer Parts GmbH (im Saarland) für einen 2014er Iveco Daily mit 3950mm Radstand (also insgesamt ca. 7m lang) mit „KLIMA KAMERA“ und in der Fahrzeugbeschreibung u.a. mit

„Deutsches Fahrzeug aus 1. Hand“ und

„Werkstattgepflegt ohne Wartungsstau“

angegeben.

Die Dose hat 380.000 km auf der Uhr und wird für € 7.999 (Brutto) angeboten.
Also ist hier realistisch nicht mal annähernd ein Neufahrzeug zu erwarten.
Aber mit einer nachvollziehbaren Servicehistorie muss das – zumindest für die Technik – ja nicht zwangsläufig ein Problem sein.


Die Organisation

Ich rufe (Samstag) an. Gerne würde ich mir das Fahrzeug am Montag ansehen. Da ich aber knapp 350 km Anfahrtsweg habe, möchte ich sicherstellen, dass das Fahrzeug auch noch zur Besichtigung da ist. Weiter erklärt man mir auch, dass das „alles Langstreckenkilometer“ sind und es auch kein Paketdienstfahrzeug gewesen sei. Wir verabreden uns für Montag Mittag.

Claudia ist so lieb und stellt mir ihren C-HR zur Verfügung – der hat Tempomat und ist aus ihrer ganz persönlichen Sicht sicherer als mein „Möhrchen“ – der 17 Jahre alte Yaris. Man sorgt sich. O.K.

Sonntagabend sende ich noch eine WhatsApp an den Verkäufer mit der Bitte, vor meinem Eintreffen rote Nummern zwecks Testfahrt zu montieren. Die Antwort: „Ok.“

Bild von klimkin auf Pixabay

Da Geldautomaten in der Bereitstellung größerer Geldsummen nicht sonderlich kooperativ sind, muss ich am Montagmorgen noch zur Bank, in der sich Corona-bedingt die Schlange bis weit vor die Eingangstür gebildet hat. Hier hilft nur eine warme Jacke und Geduld. Am Tresen angekommen erklärt man mir, dass mein Aufenthaltstitel (dieser Kanadier hat halt keinen handelsüblichen Perso) nicht „Maschinen-leserlich“ sei und ich keinen Betrag über € 2.500 abheben könne. Beharrlichkeit zahlt sich dann aber doch aus, denn deren IT akzeptierte meine Karte dann doch und ich bekam die gewünschten Euronen.


Die Anreise

Die Uhr ging jetzt bedrohlich auf 10:00 Uhr zu, also versuche ich den Verkäufer tel. zu erreichen. Nur der AB – ich hinterlasse Nachricht mit Uhrzeit und Ankündigung, dass ich eher zwischen 13:00 und 14:00 eintreffen werde. Wenn dies ein Problem sei, dann bäte ich um RR. Ich bin auf dem Weg.

Rückruf kommt während der Fahrt mit der Frage, wann ich denn eintreffen würde. Ich könne mir nun mit der Fahrt Zeit lassen, denn man sei wegen eines anderen Termins erst gegen halb drei wieder vorort. Kein Problem – also Tempomat auf 100 km/h.


Der erste Eindruck

Ich komme gegen 14:15 an, übersehe das Schild „Eingang“ am Garagentor und klingle an der Tür. Da macht keiner auf, Fenster sind auch ziemlich dunkel – vor dem Zaun steht viel Weißblech, also kann ich den Kandidaten aber schon mal ansehen – auch die Seitentür ist schon auf.

  • Macke oben rechts im Dachbereich, sonst frei von Remplern.
  • Haube hat Rost an den Kanten (später stelle sich heraus, dass die Haube an der Kante von innen nur noch Blätterteig war) und ein Blick in die Radkästen verrät, dass der Aufbau an den Falzen ziemlich Rost-lädiert war.
  • Das setzte sich im Ladebereich fort – alles ziemlich verwohnt und die Verkleidungsteile (allesamt an der Karosserie vernietet) waren Zeugen eines schweren Lebens. Rost um die Falze der arg kaltverformten Radkästen und der Bodenkante hinter den Hecktüren ließen auch dort einiges an notwendigen Schweißarbeiten vermuten. 380.000 km und 6 Jahre Misshandlung hinterlassen ihre Spuren. O.K. – ich hatte da ja auch einiges erwartet.
  • Ein Blick auf die Bremsscheiben und ein Abtasten der Kanten (dieser Iveco hatte tatsächlich Alufelgen!) ließen einen Verschleiß von 2-3 mm pro Seite erahnen – Bremsen fertig.
  • Die (Billigst-) Reifen sind aus 2019 mit 3-4 mm Profil außer dem Hinterhand-Linken – der hatte 2 mm und passte nicht zum Set.
  • Ersatzrad oder ein Reparaturkit gab es anscheinend nicht.

Im Detail

Ah, eine Person nähert sich nun wortlos und ohne Maske, ich stelle mich zumindest vor und man reicht mir wortkarg einen Schlüssel „…können Sie sich in Ruhe ansehen und dann im Büro (Fingerzeig) melden“.

Die FB löst ein „Kaklunk“ aus und ich habe Zugang.

  • Der Fahrersitz – erwartungsgemäß – durch.
  • Ich stelle die Zündung an und werde mit einem Hinweis auf eine defekte Kennzeichenbeleuchtung und angemahnte Bremsen begrüßt.
  • Der Anlasser müht sich für einen Moment, startet dann aber den Motor, der im Leerlauf rund läuft.
  • Wischer und Wascher o.k. Hupe macht Geräusch.
  • Umluftschalter defekt.
  • Schrauben am Armaturenbrett fehlen (wackelt).

Kurzer Beleuchtungscheck:

  • Ein Scheinwerfer ohne Abblendlicht,
  • Marker an der Schiebetür mit Wackelkontakt.
  • Kennzeichenbeleuchtung wurde ja schon vom System moniert.

Schlüsseltest:

  • Set komplett,
  • Schloss an Hecktür zugesifft und ohne Funktion.

Ich öffne die Haube.

  • Der Dreck der Jahre blickt mir entgegen, aber nichts wirklich ungewöhnliches.
  • Ölverlust auf der Batterieseite des Motors weiter unten.
  • Hinweise auf Zahnriemen- / Ölwechsel oder Kühlmittelkonzentrierung fehlen gänzlich.

So sieht Werkstatt-„gepflegt“ heute aus.

Rote Nummern hatte man erst gar nicht montiert, also in diesem Moment auch keine Probefahrt möglich.

Ich gehe durch das Tor in die Halle. Dort werkeln ein paar Gestalten an diversen Fahrzeugen, wobei nicht ersichtlich ist, ob die zerlegt oder repariert werden. Rechts steht ein hübscher 107er SL. Ab in das Büro. Dort sitzt der Schlüsselmensch am PC.

Hier merke ich die Bremsen an – das wird sofort dementiert. Die Bremsen seien o.k. Genau. Und sofort spielt man die 380.000 km Karte. Auf die Frage nach Serviceheft oder Belegen zu Reparaturen erklärt man mir, dass man diese nicht habe – „die hat wahrscheinlich der vorherige Besitzer.“ Wahrscheinlich? Auch bei all den festgestellten Mängeln (und ich rede gar nicht vom Rost) würde man am Preis sicher nichts mehr machen.
Es wird sehr deutlich, dass man mir das Fahrzeug gar nicht verkaufen will. Ich lege die Schlüssel auf den Tresen und verlasse kopfschüttelnd dieses „Etablissement“ (kleiner Pun, denn wir sind hier in Rufweite zu den französischen Nachbarn).


Fazit

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Ein Kastenwagenverschiebebahnhof, den man meiden sollte. Auto ankaufen, parken und mit Profit weiter verkaufen.

Mein Toyota Händler des Vertrauens und ehemaliger Kunde erklärt das heute so:

Diese Leute kommen zu mir und kaufen Autos, die ich meinen Kunden unter keinen Umständen anbieten würde – ich habe einen Ruf zu verlieren. Ich behalte die Guten und verkaufe die.

Treffend erklärt.

Wer sich nicht einmal die Mühe macht, offensichtliche Mängel (Bremsen, Beleuchtung) zu beheben (zumal sich ein potentieller Kunde angekündigt hat), dem ist der Kunde wohl ziemlich egal. Irgendwer kauft das Ding schon. Und der soll mal schön die Klappe halten und nicht unbequeme Fragen stellen.

Ich bin angefressen, denn die Darstellung „Werkstattgepflegt ohne Wartungsstau“ kann von diesem Laden in keiner Weise belegt werden und ist – schon nach dem Zustand der Bremsen – unglaubwürdig. Sowas gehört in die Beschreibung oder spätestens in das Telefonat – bevor ein potentieller Käufer 700 km zurücklegt um sich das Fahrzeug anzusehen.

In solchen Situationen höre ich noch immer diese Stimme:

Wenn sich etwas zu gut anhört um wahr zu sein – dann ist es in der Regel so.Mama

Und für die Katze im Sack mit 380.000 km sind auch € 7.999 zu viel.

Die Suche geht also weiter.

Siehe auch:

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